Befristung und Betriebsrat: Benachteiligungsverbot erklärt

Ein befristetes Arbeitsverhältnis endet – auch wenn die betreffende Person zwischenzeitlich in den Betriebsrat gewählt wurde. Gleichzeitig gilt das strikte Benachteiligungsverbot für Betriebsratsmitglieder. Was bedeutet das konkret für HR, wenn befristete Verträge auslaufen, Entfristungsentscheidungen anstehen oder Folgeverträge geprüft werden?
Dieser Beitrag fasst die aktuelle Rechtsprechung (BAG 2025) praxisnah zusammen, erläutert Risiken und zeigt, wie Sie durch saubere Prozesse, dokumentierte Auswahlkriterien und klare Kommunikation rechtssicher handeln und gleichzeitig Ihr Employer Branding schützen.
Kurz zusammengefasst
- Befristungsende gilt auch für Betriebsratsmitglieder: Allein die Wahl in den Betriebsrat begründet keinen Weiterbeschäftigungsanspruch.
- Benachteiligungsverbot bleibt strikt: Wird ein Folgevertrag wegen der Betriebsratstätigkeit verweigert, drohen Schadensersatzansprüche.
- HR-Pflicht: Sachliche, dokumentierte Kriterien für Entfristung und Verlängerung; belastbare Begründungen und konsistente Verfahren.
- Praxistipps: Transparente Auswahlmatrix, Schulungen für Führungskräfte, Vier-Augen-Prinzip, saubere Kommunikation – und professionelles Offboarding inklusive Arbeitszeugnis.
Inhaltsverzeichnis
- Was bedeutet das Benachteiligungsverbot?
- Rechtslage 2025: BAG-Urteil 7 AZR 50/24
- Praxisfolgen für HR: Auswahl- und Dokumentationspflichten
- Checkliste: Do’s & Don’ts bei befristeten Betriebsratsmitgliedern
- Umgang im Alltag: Kommunikation und Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat
- Arbeitszeugnis und Offboarding: fair, schnell, integrierbar
- FAQ
- Fazit
Was bedeutet das Benachteiligungsverbot?
Das Benachteiligungsverbot schützt Betriebsratsmitglieder davor, wegen ihrer Amtsausübung schlechter gestellt zu werden. Es betrifft Vergütung, Entwicklungschancen, Arbeitsbedingungen – und Entscheidungen rund um Verlängerung, Entfristung oder Abschluss eines Folgevertrags.
Wichtig ist die Kausalität: Nicht die Tatsache der Befristung an sich ist problematisch, sondern die Benachteiligung „wegen“ der Betriebsratstätigkeit. HR muss daher sicherstellen, dass Entscheidungen auf objektiv nachprüfbaren, betriebsbezogenen Kriterien beruhen und nicht durch die Mandatsausübung beeinflusst sind.
Praxisrelevant sind vor allem:
- sachgrundlose vs. sachgrundbefristete Verträge (TzBfG),
- standardisierte Auswahlprozesse bei Entfristungen,
- Belegbarkeit von Personalbedarfs- und Leistungsentscheidungen.
Rechtslage 2025: BAG-Urteil 7 AZR 50/24
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat am 18. Juni 2025 entschieden: Ein befristetes Arbeitsverhältnis endet mit Fristablauf – auch wenn der oder die Beschäftigte währenddessen in den Betriebsrat gewählt wurde. Die reine Mitgliedschaft im Betriebsrat schafft keinen Anspruch auf Weiterbeschäftigung oder Entfristung. Ein aktueller Praxisbericht dazu findet sich bei Haufe: Befristungsende benachteiligt Betriebsräte nicht.
Gleichzeitig gilt: Wird eine Verlängerung oder ein Folgevertrag wegen der Betriebsratstätigkeit verweigert, liegt eine unzulässige Benachteiligung vor. Bereits 2014 stellte das BAG klar, dass in solchen Konstellationen ein Schadensersatzanspruch auf Abschluss des verweigerten Folgevertrags bestehen kann (Az. 7 AZR 847/12). Zusammenfassung beim Mittelstandsverbund: Keine Benachteiligung von Betriebsratsmitgliedern auch bei Befristungen.
Kernbotschaft der Rechtsprechung:
- Befristung bleibt wirksam, sofern sie rechtskonform vereinbart wurde.
- Der „Weiterbeschäftigungsanspruch eines Betriebsratsmitglieds“ besteht nicht automatisch.
- Entscheidend ist, ob die Nichtverlängerung auf zulässigen, neutralen Gründen beruht – oder ob die Betriebsratstätigkeit (mit-)ursächlich war.
Praxisfolgen für HR: Auswahl- und Dokumentationspflichten
Für Personalabteilungen resultieren zwei Handlungsfelder: stringente Auswahlprozesse und lückenlose Dokumentation.
- Objektive Auswahlkriterien definieren
- Bedarf: Planstellen, Budget, strategische Prioritäten, Auslastung.
- Kompetenz-/Leistungskriterien: Zielerreichung, Qualifikation, Potenzial, Projekterfolge.
- Gleichbehandlung: identische Maßstäbe für alle befristeten Beschäftigten, unabhängig vom Betriebsratsamt.
- Transparente Verfahren implementieren
- Auswahlmatrix mit Gewichtungen (z. B. 40% Leistung, 30% Bedarf, 20% Qualifikation, 10% Teamfit).
- Standardisierte Scorings und Protokolle je Fall.
- Vier-Augen- oder Gremiumsprinzip (HR + Fachbereich).
- Dokumentation und Belegbarkeit
- Entscheidungsnotiz pro Person: Kriterien, Score, Entscheidung, Begründung.
- Trennung von Amtsinformationen: Die Betriebsratsfunktion darf in Entscheidungsunterlagen keine Rolle spielen.
- Nachvollziehbare Kommunikation: neutrale, sachliche Begründung ohne Bezug zur Betriebsratstätigkeit.
- Schulung der Führungskräfte
- Sensibilisierung für das Benachteiligungsverbot und typische Fallstricke.
- Leitfäden für Feedback- und Beendigungsgespräche.
- Eskalationspfade bei Unsicherheiten (HR/Legal einbinden).
Checkliste: Do’s & Don’ts bei befristeten Betriebsratsmitgliedern
Do’s
- Einheitliche Kriterien vor Beginn der Auswahl festlegen und schriftlich fixieren.
- Relevante Daten (Ziele, Performance, Bedarf) aktuell halten und objektiv bewerten.
- Kommunikationsleitfäden nutzen; Gesprächsinhalte kurz protokollieren.
- Bei Unsicherheit juristischen Rat einholen (dieser Artikel ersetzt keine Rechtsberatung).
Don’ts
- Keine Erwähnung der Betriebsratstätigkeit in Entscheidungs- oder Gesprächsbegründungen.
- Keine abweichenden Maßstäbe für Betriebsratsmitglieder (weder strenger noch „bevorzugend“).
- Keine ad-hoc-Kriterien, die erst im Nachhinein erfunden werden.
- Keine informellen Signale, die als Druck auf die Amtsausübung verstanden werden könnten.
Umgang im Alltag: Kommunikation und Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat
Eine professionelle, vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat stabilisiert die Personalarbeit – gerade bei heiklen Befristungsthemen.
- Frühzeitige Information: Personalbedarf, Projektlaufzeiten, Planstellenplanung offenlegen, soweit zulässig.
- Klare Rollen: Betriebsrat ist nicht Teil individueller Leistungsbeurteilung, kann aber auf faire Verfahren dringen.
- Konfliktprävention: Regeltermine HR–BR, gemeinsame Verständigung zu Prozessstandards, um Misstrauen vorzubeugen.
- Employer Branding: Transparente Prozesse und respektvolle Kommunikation zahlen auf die Arbeitgebermarke ein. Mehr dazu in unserem Beitrag zu modernen HR-Strategien: Employer Branding 2025.
Arbeitszeugnis und Offboarding: fair, schnell, integrierbar
Läuft ein befristeter Vertrag aus, ist ein wertschätzendes Offboarding wichtig – unabhängig von der Betriebsratsfunktion.
- Zeitnahes, rechtssicheres Arbeitszeugnis: Aufgaben, Erfolge, Soft Skills, Leistungs- und Verhaltensbeurteilung formal korrekt. Vermeiden Sie codierte Hinweise auf Betriebsratstätigkeiten; diese gehören nicht ins Zeugnis.
- Prozesssicherheit: Checkliste für Austrittsschritte, Equipment-Rückgabe, Zugangsentzug, Abschlussgespräch.
- Effizienz durch digitale Tools: Gerade bei Serienzeugnissen oder saisonalen Befristungen profitieren HR-Teams von Vorlagen, Rollenfreigaben und Systemintegrationen (z. B. Personio, SAP SuccessFactors). Mit dem verlingo Zeugnisgenerator erstellen Sie konsistent hochwertige Arbeitszeugnisse – skalierbar, rechtssicher und integrierbar in Ihre HR-Systemlandschaft.
FAQ
Frage: Endet eine sachgrundlose Befristung trotz Betriebsratswahl? Antwort: Ja. Das Beschäftigungsverhältnis endet regulär mit Fristablauf. Die Wahl in den Betriebsrat begründet keinen automatischen Entfristungs- oder Weiterbeschäftigungsanspruch.
Frage: Wann liegt eine verbotene Benachteiligung vor? Antwort: Wenn der Folgevertrag gerade wegen der Betriebsratstätigkeit verweigert wird. HR muss nachweisen können, dass neutrale, objektive Gründe tragend waren (z. B. fehlender Bedarf, bessere Eignung anderer).
Frage: Wie belege ich eine rechtssichere Entscheidung? Antwort: Durch eine standardisierte Auswahlmatrix, dokumentierte Kriterien, Protokolle und eine neutrale schriftliche Begründung ohne Bezug zur Amtsausübung.
Frage: Gehört die Betriebsratstätigkeit ins Arbeitszeugnis? Antwort: Nein. Die Amtsausübung ist kein Zeugnisbestandteil. Zeugnisse müssen wohlwollend, wahr und ohne versteckte Codes formuliert sein.
Fazit
Für HR heißt das: Ein befristetes Arbeitsverhältnis eines Betriebsratsmitglieds endet grundsätzlich mit der vereinbarten Frist. Entscheidend ist, Benachteiligungen strikt zu vermeiden und Entscheidungen mit belastbaren, neutralen Kriterien zu untermauern. Wer Auswahlprozesse standardisiert, sauber dokumentiert und professionell kommuniziert, minimiert Rechts- und Reputationsrisiken – und sorgt gleichzeitig für ein faires Mitarbeitererlebnis. Ein effizientes Offboarding inklusive zeitnahem, rechtssicherem Arbeitszeugnis rundet den Prozess ab und stärkt Ihre Arbeitgebermarke.
Externe Quellen:
- BAG-Update 2025: Haufe, „Befristungsende benachteiligt Betriebsräte nicht“: https://www.haufe.de/personal/arbeitsrecht/befristungsende-benachteiligt-betriebsraete-nicht_76_654546.html
- BAG 2014 (7 AZR 847/12) zusammengefasst vom Mittelstandsverbund: https://www.mittelstandsverbund.de/politik/arbeit-soziales/d-keine-benachteiligung-von-betriebsratsmitgliedern-auch-bei-befristungen-1870261618
Verwandte Suchbegriffe: „Weiterbeschäftigungsanspruch Betriebsratsmitglied“, „sachgrundlose Befristung Betriebsrat“.